Im Rahmen von Betriebsprüfungen werden von der Finanzverwaltung in vielen Fällen Zeitreihenvergleiche und andere Prüfungs- und Schätzungsmethoden angewendet. Das SHBB Journal hatte in Ausgabe 2/2015 über digitale Prüfungsmöglichkeiten und Zugriffe auf elektronische Daten durch die Finanzverwaltung berichtet. In einem aktuellen Verfahren hat der Bundesfinanzhof (BFH) erstmals zur Frage der Zulässigkeit von Zeitreihenvergleichen Stellung bezogen.
Wenn es im Rahmen von Betriebsprüfungen zu Meinungsverschiedenheiten mit der Finanzverwaltung über die tatsächliche Höhe der erzielten Einnahmen kommt, setzt die Finanzverwaltung regelmäßig moderne Softwareprogramme für mathematisch-statistische Zeitreihenvergleiche ein. Hierbei werden die Erlöse und Wareneinkäufe eines Betriebes in kleine Zeiteinheiten wie Wochen oder Monate zerlegt. Für jede Woche oder jeden Monat wird dann der Rohgewinnaufschlagsatz ermittelt. Wenn die Schwankungen im Zeitablauf nicht plausibel erklärt werden können, geht die Finanzverwaltung davon aus, dass der höchste Rohgewinnaufschlagsatz auf den gesamten Prüfungszeitraum anzuwenden ist. Für Monate mit rechnerischen Minderumsätzen werden entsprechende Hinzuschätzungen vorgenommen.
Der BFH hat mit Urteil aus März 2015 hinsichtlich der oben beschriebenen Prüfungsmethode der Finanzverwaltung verschiedene Grenzen aufgezeigt. So muss in dem betrachteten Zeitraum das Verhältnis zwischen Wareneinsatz und Erlösen weitgehend konstant sein. Darüber hinaus darf sich in dieser Zeit keine Änderung der Betriebsstruktur ergeben haben. Auch ist der Zeitreihenvergleich bei nur geringfügigen Buchführungsmängeln zum Nachweis vermeintlich fehlender Umsätze grundsätzlich unzulässig. Außerdem muss das Ergebnis einer digitalen Prüfung durch Zeitreihenvergleiche durch die Finanzverwaltung selbst plausibel erklärbar sein.
Im Ergebnis wird die Methode des Zeitreihenvergleiches durch den BFH grundsätzlich gebilligt. Nach Auffassung der obersten Finanzrichter darf und muss die Außenprüfung im Interesse der Wahrung der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung auf alle technischen Möglichkeiten reagieren und dementsprechend auch neuartige Prüfungsmethoden entwickeln und anwenden. Darüber hinaus wird im Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch Bedienungsanleitungen, Programmieranleitungen und Protokolle über Einrichtungen und Änderungen an der Programmierung eines Kassensystems zu den aufbewahrungspflichtigen Unterlagen gehören. Eine nicht vorhandene Bedienungsanleitung für ein elektronisches Kassensystem wird vom BFH dem Fehlen der so genannten Z-Bons einer Registrierkasse oder der Kassenberichte bei einer offenen Ladenkasse gleichgesetzt. Allein das Fehlen der oben genannten Unterlagen berechtigt daher die Finanzverwaltung bereits dazu, Umsätze hinzuzuschätzen.